Zu Matthäus 25, 1 – 13

Hassen Sie Schlangestehen auch so sehr wie ich? Wenn ich an der Kasse stehe und es geht nicht voran, dann lege ich den Kram wieder weg und gehe. Manchmal geht das natürlich nicht. Da kann ich dann richtig ungemütlich werden. Warten ist nicht meine Stärke. Aber damit stehe ich nicht allein. Die meisten Menschen in unserer Gesellschaft warten nicht gern. Wenn man aber Gespräche analysiert, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Menschen am häufigsten tun, was sie am meisten Hassen: Warten. Wir beginnen damit als Kinder. Groß werden wollen die Kinder und zwar möglichst schnell. Dann warten wir auf den richtigen Ehepartner, die Kinder, den Aufstieg im Beruf, dass die Kinder aus dem Haus gehen, dass die Rente kommt, dass die Kinder zu Besuch kommen, dass man wieder gesund wird. Mancher wartet sogar auf das Ende des Lebens. Warten von der Wiege bis zur Bahre.

Worauf warten Christen? Worauf warten wir? Warten von der Wiege bis zur Bahre, auch für Christen? Natürlich geht es auch Christen so, dass das Gras auf der anderen Seite des Zaunes besser zu sein scheint. Warten wir also, dass es uns demnächst besser geht? Samuel Beckett hat ein berühmtes Theaterstück geschrieben. Es trägt den Titel „Warten auf Godot“ und zeigt zwei Menschen, die das Warten zum Inhalt ihres Lebens gemacht haben. Sie warten auf einen dritten, auf Godot. Aber im Laufe des Stücks wird deutlich, dass sie nur eine vage Vorstellung von diesem Godot haben. Sie wissen auch nicht, warum sie auf ihn warten. Ihr Leben hat keinen anderen Inhalt, als dieses Warten auf eine unbestimmte Zukunft. Haben wir eine Vorstellung, worauf wir warten. Als Christen dürften wir eine solche haben. An vielen Stellen der Bibel findet sich der Hinweis auf Gottes Plan mit der Welt: Jesus wird am Ende der Zeiten wiederkommen. Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Dort wird das Leid ein Ende haben, die Tränen werden abgewischt sein. Dort werden wir unsere Verstorbenen wiedertreffen. Die Bibel hat herrliche Bilder für das zukünftige Reich Gottes.

Heute tun wir diese Bilder allerdings oft als nicht mehr so diskutierenswert ab. Prophezeiungen scheinen deplaziert in einer rationalen Welt. Darüber hinaus haben sich zu viele bereits an der Entschlüsselung der Angaben der Prophezeiungen und der Offenbarung versucht und wollten das Datum der Wiederkunft berechnen. Seitdem wirkt das Thema auf uns ein wenig diskreditiert, oder? Aber bedeutet das, dass wir die Hoffnung auf Gottes neue Welt gleich aufgeben müssen? Worauf hoffen Christen? Auf die Wiederkunft ihres Herrn! Wir müssen nicht unser Leben lang auf etwas unbestimmtes Warten, sondern wir haben eine ganz konkrete Hoffnung. Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen. Aber wann das passieren wird...? Wir kennen Zeit und Stunde nicht. Die Bibel gibt zwar Andeutungen, nach denen man die Wiederkunft des Herrn als nahe bevorstehend sehen könnte, aber der Kern der Hoffnung liegt nicht in der Bestimmung des Zeitpunktes.

In diesem Zusammenhang erzählt Jesus den Jüngern eine ganz eigenartige Geschichte, bei der es ums Warten geht. Es beginnt ganz harmlos. Im Nahen Osten war es Sitte, dass der Bräutigam die Braut bei sich abholt. Die Brautjungfern, die die Braut begleiten, empfangen den Bräutigam. Dann zieht die gesamte Hochzeitsgesellschaft zur Hochzeit.

In der Geschichte Jesu lässt der Bräutigam die Braut und ihre Brautjungfern warten. Augenscheinlich wissen sie nicht, wann der Bräutigam kommt. Aber sie scheinen sicher dass er kommt. Sie haben sich sogar auf eine nächtliche Ankunft eingestellt und Lampen mitgenommen. Aber das Warten dauert so lange, dass sie einschlafen. Dann endlich kommt der Bräutigam. Die Hälfte der draußen wartenden Brautjungfern hat genug Öl um die Lampen wieder anzuzünden. Die andere Hälfte hat keines. Sie muss erst Öl kaufen gehen. Daher kommen diese zu spät und bleiben von der Feier ausgeschlossen.

Die Geschichte erscheint uns dunkel und wirft Fragen auf. Jesus benutzt das Bild einer Hochzeit wie es im Judentum üblich war für das messianische Heil. Schon im ersten Vers wird deutlich, dass die Geschichte auf das Himmelreich zu beziehen ist. Die Hochzeitsgesellschaft ist sicher, dass der Bräutigam kommt. Sie erwarten ihn, ohne genau zu wissen, wann er kommt. Es ist ein Bild unserer Situation als Christen. Wir wissen, dass Christus wieder kommt, aber wir wissen nicht, wann es sein wird. Aber so wie die Hochzeitsgesellschaft den Bräutigam erwartet, so erwarten wir das Wiederkommen unseres Herrn. Aus dieser Deutung lässt sich die Geschichte beleuchten. Es geht um die Art des Wartens. Wie überstehen wir als Christen die Zeit des Wartens?

Die beiden Protagonisten in Becketts Theaterstück haben den Sinn ihres Wartens verloren. Sie haben keine Vorstellung mehr von Godot und verlieren den Rest im Laufe des Stückes immer weiter. Als Christen stehen wir auch in der Gefahr auf so viel zu warten, dass uns das Warten auf unseren Herrn abhanden kommt. Wir sind so vielen Einflüssen unserer geschäftigen Welt ausgesetzt, die uns von der Hoffnung Gottes ablenken wollen. Es ist schon so weit, dass uns die selbstgebaute menschengemachte Zukunft erstrebenswerter scheint, als die Zukunft Gottes. Wer Sorge hat, sich in Gottes Ewigkeit zu langweilen, weil sie ja so lange dauert, der hat die Richtung verloren. Aber wie vermeiden wir, die Richtung zu verlieren? Die Frage der Geschichte Jesu für uns ist also: Womit versorgen wir uns während des Wartens? In der Sprache der Geschichte hieße die Frage: Wie komme ich an eine ausreichende Menge Öl? Wie bekomme ich Öl nach?

Wenn die Bibel vom Durchhalten spricht, dann geht es im allgemeinen um die Fragen des geistlichen Lebens. Wenn wir in der Bibel lesen und uns mit Gottes Wort beschäftigen, dann gerät uns in all unserer Geschäftigkeit das eigentliche Ziel nicht aus dem Auge. Wenn wir mit Gott sprechen, dann geht uns die Kraft nicht verloren, die wir benötigen. Gott selber ist es, der uns mit seinem Wort für das Warten ausrüstet. Wir können die Zurüstung für das Reich Gottes nicht in dieser Welt kaufen, genauso wenig wie die Jungfrauen rechtzeitig Öl beim Krämer bekamen. Es gehört zur Gnade Gottes, der uns den Glauben schenkt, dass er uns auch für das Warten auf das Himmelreich zurüstet. Mit Gottes Zurüstung wird aus Warten Erwartung, aus Abwarten Hoffnung.

Auch wenn uns die Bibel zur freudigen Erwartung der neuen Schöpfung anhält, so ist doch eines ganz klar: Gott wartet längst auf jeden einzelnen von uns. Deshalb ist es nicht bei Prophezeiungen über ein zukünftiges Gottesprojekt geblieben, sondern er hat seinen Sohn geschickt für unsere Sünden. Damit wir teilhaben können an Gottes großer Verheißung, ist Jesus am Kreuz für jeden von uns gestorben. Gott wartet auf uns und er wartet auch auf unseren Nachbarn, auf unseren Kollegen. Er wartet auf die Menschen, die ihn noch nicht kennen. Gottes gute Zukunft ist keine Schreckensvision, sondern die Hoffnung der Welt. Solche Hoffnung kann nur ansteckend wirken. Infizieren wir viele damit bevor er kommt, damit Gottes Fest groß wird.